Rede vom 27. Oktober

Dieser Text wurde an der Demo vom27.Oktober als Rede vorgetragen:

Wann wurdet ihr zuletzt angefasst, obwohl ihr nicht eingewilligt habt? Wann war das letzte Mal, als ihr euch auf dem Nachhauseweg nachts überlegt habt, wie ihr euch wehren könntet, falls euch einer verfolgt? Wie oft habt ihr schon die Strassenseite gewechselt, weil ihr euch nicht wohl gefühlt habt? Wie oft, wurdet ihr schon hysterisch genannt und Leute haben versucht, dich ruhig zu stellen, als ihr euch gewehrt habt? Wie oft haben Leute schon versucht, dein Empfinden für dich einzuordnen und zu werten?
Das Problem bist nicht du, sondern die strukturelle Diskriminierung – Sexismus, Transphobie, Homophobie, Patriarchat! 
Diskriminierte Menschen haben oft das Gefühl, dass sie alleine unter diesen Unterdrückungsmechanismen leiden. Sie seien selber schuld, dass sie unterdrückt werden. Das stimmt nicht! Es liegt daran, dass du in einer männerdominierten,patriarchalen Welt lebst. Wir müssen uns vereinen und gemeinsam kämpfen. Die Zeit der ermüdenden Einzelkämpfe ist vorbei!
Ist Feminismus ein veralteter Kampf? Nein, verdammt! 2018 und die Grossrätin der SVP befeuert immer noch den Minirock-Mythos. Frauen* seien selber schuld, wenn sie im Ausgang zu aufreizende Kleidung tragen. Das sei der Grund für sexualisierte Gewalt. Der Mythos der hilflosen, triebgesteuerten Männer ist höchstaktuell. Tatsache ist aber, dass 95 % sexualisierter Gewalttaten von Männer* aus Wut, Hass und Macht gegen Frauen* ausgeübt werden. Egal, wie sie* aussieht, wie sie* angezogen ist, wie alt sie* ist. Es geht darum, dass Mann* sich über Frau* stellen kann und die Übermachtsstellung untermauern kann.
Männer* halten männliche Räume männlich! Auch in unseren Umfeldern. Männer* unterstützen sich gegenseitig, wenn Vorwürfe von sexualisierter Gewalt im Raum stehen, anstatt sich diesen zu stellen und diese aufzuarbeiten. 
Dass wir hier mal ohne Cis-Männer stehen, scheint viele Cis-Männer zu befremden. Dass wir uns selbstorganisieren und empowern, wird als Ausschluss gesehen. Wo unterschiedliche Menschen aufgrund einem oder mehreren Merkmalen wie Schichtzugehörigkeit, Geschlecht, Sexualität, Hautfarbe, Herkunft, Beeinträchtigungen oder Alter Diskriminierung erfahren, sehen sich andere nach wie vor in der Position, diese Diskriminierungserfahrungen kleinzureden, auf sich selber anzuwenden oder einfach zu leugnen. 
Feminismus muss antifaschistisch sein. Antifaschismus muss feministisch sein! Rassistische Menschen schmücken sich als Frauen*schützer_innen, indem sie Ausländer für sämtliche sexualisierte Gewalt verantwortlich machen. Das sei halt deren Kultur. Dabei ist Sexismus im Herzen des Faschismus und somit jeglicher rechten Rhetorik, wie die Vertreterinnen* der Feminist Anti-Fascism Assembly in London es schön sagen. 
Support your Sisters, not your CIS-ters! Kämpfen wir nicht mehr wie die Feministinnen der alten Garde für ausschliessliche Frauenräume. Erschaffen wir Räume für alle jene Menschen, welche unter dem Patriarchat leiden. Sämtliche Menschen, die sich nicht als CIS-Männer einordnen und die solidarischen Cis-Männer. Es gibt keine binäre Geschlechterordnung. Es gibt ganz viele unterschiedliche Geschlechter und kein Mensch darf uns vorschreiben, welchen Geschlechtern wir uns zuordnen, ausser wir selber! 
Definieren wir selber, wie und mit wem wir Sex haben wollen! Ausser Konsens ist nichts vorgegeben. Keine Pornos, keine Statistiken, kein Gruppenzwang sollen uns vorschreiben, wie und wie oft wir Sex haben sollen. Wir bestimmen selber, was mit unseren Körpern passiert. Wollen wir Kinder? Wollen wir keine Kinder? Wollen wir uns sterilisieren lassen? Wollen wir abtreiben? My body, my choice!
In Gedanken hier bei allen Menschen, welche nach Europa flüchten und an den Grenzen Europas sterben. In Gedanken bei allen Frauen*, welche auf der Flucht sexualisierter Gewalt und Unterdrückung ausgesetzt sind. In Gedanken bei allen Frauen*, welche tagtäglich von häuslicher Gewalt betroffen sind und keinen Ausweg sehen! Mehr!! In Gedanken bei allen Frauen*, die nicht das Privileg haben , heute hier zu sein, weil sie arbeiten müssen, immer noch 20% weniger verdienen, alleinerziehend sind und neben Lohnarbeit sämtliche Care-Arbeit alleine bewältigen müssen! In Gedanken bei allen, die nicht gut genug zu Fuss unterwegs sind, um an der Demo teilzunehmen oder sich psychisch nicht genug fit fühlen, auf der Strasse zu kämpfen. Und bei all jenen, die heute Angst hatten auf die Strasse zu gehen, offen für ihre Gesinnung einzustehen aus Angst vor Repression oder Anfeindungen von Männern*!
Unsere Solidarität nach London, wo sich feministische, antifaschistische Menschen zum Feminist Anti-Fascism Assembly zusammengeschlossen haben! Unsere Solidarität nach Brasilien, wo Frauen* auf der Strasse und unter dem Hashtag #Elenão gegen den sexistischen, homophoben und rassistischen Präsidentschaftskandidaten Bolsanaro kämpfen! Unsere Solidarität an alle feministischen, antirassistschen Kämpfe weltweit für ein gutes Leben!
Bilden wir Banden! Schliessen wir uns zusammen! A las mujeres libres! Die schwierigen Zeiten müssen wir gemeinsam durchstehen. Wird eine* von uns sexistisch diskriminiert oder ist sexualisierter Gewalt ausgesetzt, trifft es eine – gemeint sind wir alle! Bestärken wir uns gegenseitig und unterstützen uns! Die Zeiten des Patriarchats sind vorbei!